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Von GladbachLIVE Redaktion

Ein Tor als Vermächtnis Gladbach und das „Ich spiele jetzt“-Märchen

DFB-Pokalfinale 1973: Günter Netzer erzielt für Borussia Mönchengladbach in der Verlängerung den Siegtreffer zum 2:1 gegen den 1. FC Köln. Der Ball schlägt unhaltbar im Torwinkel ein.

DFB-Pokalfinale 1973: Günter Netzer erzielt für Borussia Mönchengladbach in der Verlängerung den Siegtreffer zum 2:1 gegen den 1. FC Köln.

Günter Netzers legendäre Worte werden auch am Freitag (23. Juni 2023) nicht zu hören sein, wenn das DFB-Pokalfinale von 1973 im Borussia-Park noch einmal über die Bildschirme flimmert.

„Ich spiele jetzt“, sagte Netzer an jenem denkwürdigen Samstag zu Hennes Weisweiler, doch keine Kamera fing den Satz ein.

Der Trainer von Borussia Mönchengladbach nickte nur – und wenige Minuten später flog Netzer wild jubelnd durch die Luft.

Gladbach: Borussia feiert 50 Jahre Pokal-Märchen

Netzers Selbsteinwechslung in seinem letzten Spiel für Gladbach läuft am Freitag noch einmal in der Sportsbar, los geht es natürlich um exakt 16 Uhr – wie vor 50 Jahren.

Die 270 Plätze sind längst ausverkauft. Christian Kulik, der damals vor der Verlängerung völlig entkräftet für Netzer Platz machte, kommt ebenso vorbei wie der damalige Torhüter Wolfgang Kleff.

Netzer selbst kommt zwar nicht, schwelgte aber in Erinnerungen. „Ich sage es ein wenig übertrieben: Das hatte es zuvor in 100 Jahren nicht gegeben, und das wird es auch in den nächsten 100 nicht geben. 50 haben wir ja jetzt schon geschafft“, sagte der heute 78-Jährige den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Diese Geschichte ist so unglaublich vom Anfang bis zum Ende.“

Tatsächlich ist das Geschehen eigentlich zu kitschig, um wahr zu sein. Zehn Tage vor dem Finale gegen den 1. FC Köln im Düsseldorfer Rheinstadion war Netzers Wechsel zu Real Madrid bekannt worden, nach zehn Jahren bei der Borussia.

Eine Woche vor dem Spiel starb Netzers Mutter. Weil Netzer zudem Trainingsrückstand aufwies, saß der Zehner in seinem Abschiedsspiel zunächst auf der Bank – mit der Rückennummer zwölf.

Der Rest ist Geschichte. In der Halbzeit forderte Weisweiler seinen langjährigen Spielmacher auf, sich „fertig zu machen“, doch der weigerte sich.

Nach 90 schweißtreibenden Minuten stand es 1:1, die „Netzer, Netzer“-Sprechchöre wurden immer lauter. Netzer ging zu Kulik, der ausgewechselt werden wollte, und daraufhin zu Weisweiler.

„Ich spiele jetzt“, sagte Netzer, Weisweiler nickte nur, Netzer zog seine Trainingshose aus, das Publikum johlte.

Die Verlängerung lief keine vier Minuten, als Netzer nach einem Doppelpass mit Rainer Bonhof an der Strafraumgrenze zum Abschluss kam, den Ball nicht richtig traf - und ihn doch oben links im Winkel versenkte. Netzer hob ab und sprang Jupp Heynckes mit wehenden Haaren in die Arme – das Foto ist fast so berühmt wie das Tor selbst.

Der Treffer sei „wie eine Katharsis“ gewesen, schrieb Autor Helmut Böttiger in seinem Buch „Günter Netzer. Manager und Rebell“ über jenen Moment: „Es war der konsequente Abschied des Helden aus Deutschland. Es war ein Vermächtnis.“

Der Treffer wird später zum Tor des Jahres, Netzer zum Fußballer des Jahres gewählt.

Und Netzer? „Ich empfand keinen persönlichen Triumph über Weisweiler. Weisweiler tat mir fast leid, diese Häme hatte er wirklich nicht verdient. Er hatte fachlich eigentlich richtig entschieden“, sagte er einmal: „Aber er hat eben meine Fähigkeiten falsch eingeschätzt, in besonderen Momenten Besonderes leisten zu können.“

(SID)