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Von Achim Müller

„Graue Maus“ statt Top-Klub Verrät „Schönredner“ Farke jetzt die ganze Gladbach-Wahrheit?

Daniel Farke ist Cheftrainer bei Borussia Mönchengladbach, auf diesem Foto ist der 46-Jährige am 22. Januar 2023 im Borussia-Park zu sehen. Farke schaut, angespannt wirkend, nach vorne.

Daniel Farke ist Cheftrainer bei Borussia Mönchengladbach, auf diesem Foto ist der 46-Jährige am 22. Januar 2023 im Borussia-Park zu sehen.

Fast 53 Minuten hat Borussias XXL-Pressekonferenz am Donnerstag (16. Februar 2023) gedauert.

Das hatte aber eher weniger mit dem kommenden Gegner Bayern München zu tun.

Der Rekordmeister von der Säbener Straße ist am Samstag (18. Februar, 15.30 Uhr) zum Bundesliga-Klassiker im ausverkauften Borussia-Park zu Gast.

Müssen Gladbach-Fans sich von Europapokal-Träumen verabschieden?

Der Liga-Evergreen spielte eine untergeordnete Rolle, vielmehr stand die sportliche Talfahrt der Elf vom Niederrhein im Vordergrund.

Die zum Teil grausamen Auftritte gegen Schalke 04 (0:0) und Hertha BSC (1:4) hatten jüngst die Fans von Borussia Mönchengladbach mächtig in Aufruhr versetzt.

Es gab böse Pfiffe im Stadion, dazu hatte das Gladbacher Fanprojekt auf der eigenen Internetseite Mannschaft und Entscheider deutlich kritisiert. 

Dabei wurden Manager Roland Virkus (56) und Trainer Daniel Farke (46) unter anderem als „Schönredner“ bezeichnet. Auch in den sozialen Netzwerken hatten sich in den vergangenen Wochen Hunderte Fans mit Kommentaren zur „Schönrednerei“ der Bosse im Borussia-Park zu Wort gemeldet.

Teil der Kritik beinhaltete zudem, dass Borussia bei der Hertha-Blamage acht Spieler auf dem Feld hatte, die noch im Champions-League-Achtelfinale am 16. März 2021 gegen Manchester City von Beginn an mitgemischt hatten oder zumindest eingewechselt worden waren.  

Trainer Farke sagte zu diesem konkreten Vorwurf seiner Kritiker: „Was vor drei Jahren gewesen ist, dass ist anno dazumal. Das ist Märchenstunde. Was vor drei Jahren gewesen ist, spielt gar keine Rolle. Vor drei Jahren ist Ronaldo, gemeinsam mit Messi, noch einer der besten Spieler der Welt gewesen – und jetzt spielt er in Saudi-Arabien. Was zählt, sind die Aktualität und die jüngste Vergangenheit.“

Dann holte Farke verbal richtig aus, es folgte ein minutenlanger Monolog: „Kommen wir zur Zielsetzung: Wir, der Verein und ich, haben im Sommer 2022 die Gespräche gehabt. Der Verein hat damals gesagt, wir kommen aus dem Abstiegskampf. Und das ist Realität. Und das Jahr davor haben wir uns auch nicht für Europa qualifiziert – Fakt!“

Der Borussia-Coch legte nach: „Zweitens wurde gesagt: Wir haben eine wirtschaftliche Situation, in der wir nicht sagen können, dass wir den Kader mal eben umbauen können. Wir gehen nicht finanziell ins Risiko und können uns dramatisch verstärken. Sondern ganz im Gegenteil, wir wollen noch Transfererlöse erzielen.“

Der nächste Farke-Akt während der XXL-PK folgte!

„Punkt drei war, dass ein Riss zwischen Mannschaft und Fans gegangen ist. Dazu kommt noch Punkt vier, dass wir eine Mannschaft haben, die im Umbruch ist, wir brauchen neue, frische Kräfte, da die Jungs langsam in ein Alter kommen, bei dem neue Energie reinkommen muss. Und Punkt fünf ist: Wir wollen hier auch eine andere Art von Fußball implementieren. Da haben wir uns alle in den Gesprächen angeguckt und haben gesagt: In so einer Situation brauchen wir überhaupt nicht über die Top-Sechs und die Champions League zu sprechen.“

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Farke betonte weiter: Wer aktuell die Fohlen-Elf als heißen Kandidat für eine Europapokal-Teilnahme sehe, würde mit dieser Einschätzung eher irren.

„Für uns geht es darum, eine stabile Saison zu spielen und solide im zweiten Tabellendrittel zu stehen, was heißt, zwischen Platz sieben und Platz zwölf. Natürlich lieber besser, als schlechter, aber das ist die Realität.“

Der Monolog ging weiter: „Es ist ja nicht so, dass ich hierherkomme, ein bisschen Hand auflege, ein wenig spreche – und dann segeln wir mal eben in die Champions League. Dass wir eine Mannschaft haben müssten, die Champions League spielen müsste, weil acht oder neun der elf Jungs das vor drei Jahren noch getan haben – nein!“

Farke: „Warum sollten wir jetzt als Team besser performen als vor einem Jahr, das Abstiegskampf bedeutet hat? Und davor in der Saison ist es auch nicht Europa gewesen. Warum also? Sind Sie der Meinung, dass der Kader nun besser aufgestellt ist im Vergleich zur vergangenen Saison? Da waren hier noch Embolo, Ginter, Sommer – und in der Hinrunde Zakaria. Ist das der Grund?“

Auch auf die Altersstruktur im Kader ging der Coach intensiv ein: „Finden Sie es jetzt gut, dass Spieler wie Lars Stindl, Tobi Sippel, Tony Jantschke, Patrick Herrmann, Alassane Plea, Christoph Kramer, dass die alle wieder ein, zwei Jahre älter sind, endlich mehr Erfahrung haben und jetzt mal so richtig loslegen können? Oder ist es nicht eher so, dass wir einen Lars Stindl, ein, zwei Jahre jünger, gerne hätten?“

Und: „Wir haben eine charakterlich saubere und einwandfreie Mannschaft. Die wissen ganz genau, woran Borussia Mönchengladbach hängt. Aber wir werden es mit diesen Spielern nicht hinbekommen, dass wir jetzt einfach mit Grasfressen den Gegner in Grund und Boden rennen. Das ist einfach zu viel verlangt von dieser Mannschaft.“

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Farke legte immer weiter nach: „Die Forderung des Vereins ist ganz klar gewesen: Wir wollen eine stabile Saison spielen! Und dabei, wenn es geht, die Spiele gewinnen, die auch für die Fanseele wichtig sind, die wir übrigens im vergangenen Jahr alle verloren haben. Und ich finde, wir liefern dabei.“

Das erste Derby in dieser Saison gegen den 1. FC Köln hat Farke gewonnen, mit 5:2 wurden die Geißböcke aus dem Borussia-Park geschossen.

Klartext Farke: „Ich bin total unzufrieden mit den letzten zwei Wochen. Ich bin total unzufrieden mit einem Punkt aus den letzten beiden Spielen.“

Aber?

„Ich kann hier nicht die Fahne im Wind sein. Ich habe vom ersten Tag an erzählt, wie die Situation ist. Dass der Weg schwierig und steinig sein wird. (...) Wenn es um Schönreden geht, da reden wir uns die Geschichte damit schön, dass wir hier eine Truppe hätten, mit der wir normalerweise Champions League spielen müssten. Das muss man nicht so sehen wie ich, wir leben in einem freien Land. Aber ich habe eine klare Meinung – und die habe ich immer gesagt.“

Kurz Luft holen, dann ging der Farke-Monolog weiter: „Mein Job ist es, mit Realitäten umzugehen. Als ich hier angefangen habe, wusste ich, dass die Verträge von elf Spielern im Sommer 2023 auslaufen werden. In so einer Situation, dass das für eine gewisse Unruhe im Kader sorgt, ist doch logisch.“

Farke machte klar, dass aus seiner Sicht Borussia vor großen Veränderungen stehen werde.

„Dieser Umbruch ist eine Herausforderung. In so einer Situation können gerade Traditionsvereine so richtig ins Straucheln geraten. Unser Verein geht mit dieser Situation unfassbar seriös um. Wirtschaftlich und finanziell. Hier wird nicht mit der Zukunft des Vereins gespielt, in dem man ins Risiko geht und finanziell verrückte Dinge macht.“

Farke sagte, er könne sich mit den Vorgaben des Vereins anfreunden: „Als Trainer müsste ich eigentlich anders reden. Je mehr Qualität du bekommst als Trainer, umso einfacher ist es, erfolgreich zu sein. Ich finde es richtig, dass wir den Verein kaufmännisch seriös führen und dass sich niemand Sorgen machen muss, was mittel- und langfristig in diesem Verein geschieht. Trotzdem muss ich im Tagesgeschäft damit umgehen.“

Was sind denn nun die Ziele der Borussia?

Farke: „Wir haben gesagt, dass wir diesen Verein wieder so aufbauen wollen, dass er in gewisser Zeit auch wieder für ganz andere Ziele in Frage kommt, als nur eine stabile Saison zu spielen.“

Wichtig sei nun, ein stabiles „Basis-Jahr“ hinzulegen. „Mit allen Höhen und Tiefen.“

Farke: „Insgesamt bin ich überzeugt, dass wir eine stabile Saison hinlegen werden. Und das wir den Grundstein dafür legen, dass wir mittelfristig auch wieder über ganz andere Geschichten reden können, als nur eine graue Maus zu sein.“

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Farke behauptete zudem: „Graue Maus finde ich ehrlich gesagt im Moment gar nicht so schlecht. Da gibt es weitaus schlechtere Positionen. Dass mir das für die Zukunft bei Borussia nicht so vorschwebt, ist wohl auch klar. Sonst hätte ich diese Position gar nicht angetreten. Mir war schon bewusst, dass das hier harte Arbeit werden wird. Ich bin überzeugt, dass wir am Ende auf eine zufriedenstellende Saison zurückblicken werden.“

Fakt ist: Farke hatte bei seiner England-Station Norwich City 2017 eine ähnliche Ausgangslage vorgefunden. Eine Mannschaft, die, bei einer hohen Erwartungshaltung der Fans, sich im personellen Umbruch befand.

Norwich schloss die erste Farke-Saison als graue Maus ab, belegte Platz 14  unter 24 Teams, um im Jahr danach die Championship zu dominieren und als souveräner Aufsteiger in die Premier League zu stürmen.

Kann Farke, ähnlich wie in Norwich, aus der Grauen-Maus-Borussia wieder eine unzähmbare Fohlen-Elf formen?