Sie verwenden einen veralteten Browser. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser, um Ihren Besuch bei uns zu verbessern.

Von GladbachLIVE Redaktion

Vater von Ex-Gladbach-Kapitän erlebte Schlimmes Xhaka: „Ich wurde im Gefängnis gefoltert“

Ragip Xhaka, Vater von Ex-Gladbach-Kapitän Granit Xhaka, am 3. April 2016 im Borussia-Park. Er schaut von der Tribüne aus auf das Geschehen im Stadion.

Ragip Xhaka, Vater von Ex-Gladbach-Kapitän Granit Xhaka, am 3. April 2016 im Borussia-Park.

Es ist eine bewegende Geschichte, die Ragip Xhaka (58) zu erzählen hat. Der Vater von Ex-Gladbach-Kapitän Granit Xhaka (29), der aktuell bei Arsenal London unter Vertrag steht, hat einiges mitgemacht in seinem Leben.

Als junger Mann hatte Vater Xhaka Schlimmes durchmachen müssen. „Ich wurde gefoltert, sechs Monate lang, jeden zweiten Tag. Man schlug mir auf die Handflächen, auf die Fußsohlen, auf die Beine, auf die Arme, auf den Oberkörper. Mit Polizei-Knüppeln, mit Schlagstöcken.“ Das hat Ragip Xhaka dem Schweizer „Blick “berichtet.

Vater von Ex-Gladbach-Kapitän Granit Xhaka berichtet von Haft und Flucht

Hintergrund: Ragip Xhaka war in Pristina, im ehemaligen Jugoslawien, zur Welt gekommen und aufgewachsen. Mit 23 Jahren, als Student, hatte Xhaka an Demonstrationen teilgenommen.

Er sagt: „Wir Studenten waren nicht zufrieden mit der kommunistischen Führung, wir demonstrierten für bessere Bildung, für bessere Schlafplätze, für besseres Essen – kurzum für ein besseres Leben. Es waren friedliche Demonstrationen, bei denen wir von Anfang an von der Polizei niedergeknüppelt wurden. Sie schlugen uns, bis wir nur noch am Boden lagen. Am Anfang waren es 20.000 bis 25.000 Demonstranten in Pristina, aber es kamen immer mehr Leute, die mit der Gesamtsituation unzufrieden waren. In jener Zeit lernte ich meine Frau kennen. Wir gingen gemeinsam zur Schule, sie war vier Stufen unter mir. Wir waren drei Monate zusammen, als ich plötzlich verhaftet wurde.“

Xhaka erzählt weiter: „Ich schlief morgens um fünf zuhause in meinem Bett. Die Polizisten kletterten über die Mauern meines Elternhauses. Meine Mutter fragte, was sie wollen. ,Ihren Sohn', antworteten sie und stürmten mein Zimmer. Ich erschrak fürchterlich, es war ein Schock fürs Leben. Man gab mir eine Sekunde Zeit, eine Hose und einen Pullover anzuziehen. Dann legte man mich in Handschellen, packte mich in den Kastenwagen und brachte mich ins Gefängnis.“

Ragip Xhaka wurde vorgeworfen, er würde sich gegen den Staat auflehnen. „Sie erfanden irgendwelche Gründe, wir seien gewalttätig gewesen. Aber wir waren doch nur Studenten, die friedlich demonstrieren wollten. Dann steckte man mich in eine Zelle mit vier anderen Männern.“

In der Zelle gab es eine freistehende Toilette für fünf Insassen. Zehn Minuten Hofgang innerhalb von 24 Stunden waren erlaubt, ansonsten hockten die Männer in einem engen Raum zusammen, saßen auf dem Boden, es gab weder Stühle noch einen Tisch.

Um ein Geständnis zu erzwingen, schildert Xhaka, sei er jeden zweiten Tag gefoltert, sprich geschlagen worden. Sechs Monate lang.

Ragip Xhaka (l.), Leonita (M.), Ehefrau von Granit Xhaka, und Eli Xhaka (r.) am 11. Juni 2016 bei einem Länderspiel der Schweiz.

Ragip Xhaka (l.), Leonita (M.), Ehefrau von Granit Xhaka, und Eli Xhaka (r.) am 11. Juni 2016 bei einem Länderspiel der Schweiz.

Ein Geständnis habe er dennoch nicht abgegeben, sagt er: „Nein, ich hatte ja nichts gemacht außer demonstriert. Ich war unschuldig. Und ich fühlte mich stark. Ich dachte, sollen sie mich doch wieder schlagen. Aber klar, die Angst, dass sie mich umbringen, war immer da. Man hörte von anderen Häftlingen, dass sie zu Tode gefoltert wurden.“

Xhaka wurde schließlich vor Gericht gestellt und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. „Ich sagte aus, dass wir die ganze Zeit geschlagen und gefoltert werden. Es interessierte niemanden, das war alles korrupt.“

Nach 18 Monaten wurde er in ein anderes Gefängnis verlegt, 80 Kilometer außerhalb von Pristina, der heutigen Hauptstadt der Republik Kosovo. „Dort war es ein anderes Leben. Das Gebäude war neu, wir hatten einen Fernsehsaal, doppelstöckige Betten, das Essen war besser und wir durften eine Stunde lang spazieren. Irgendwann schaltete sich Amnesty International ein.“

Xhaka erzählt, wie der Kontakt zur Menschenrechtsorganisation zustande kam: „Das lief geheim über meine Familie. Denn es war verboten. Meiner Familie hatte man schon davor alles weggenommen wegen mir: Der Staat schmiss meinen Vater aus der Firma, meine Mutter und meine Brüder auch. Auch meine Frau, die Steuerberaterin war, verlor ihren Job. Mein Vater machte ein Restaurant auf, um finanziell überleben zu können. Und sprach eben mit Amnesty International, die dann aktiv wurden.“

Xhaka hatte Glück im Unglück: Amnesty International konnte seine Entlassung nach dreieinhalb Jahren erreichen. Doch eine Zukunft sah Ragip Xhaka im ehemaligen Jugoslawien nicht mehr. Er flüchtete mit seiner heutigen Frau Eli, die bis zu seiner Entlassung auf ihn gewartet hatte, schließlich in die Schweiz.

Granit Xhaka (l.) mit seinem Vater Ragip Xhaka (r.) am 21. Mai 2012 im Gladbacher Borussia-Park. Beide lächeln in die Kamera.

Granit Xhaka (l.) mit seinem Vater Ragip Xhaka (r.) am 21. Mai 2012 im Gladbacher Borussia-Park.

Xhaka: „Wir bekamen sofort den Flüchtlingsstatus und wohnten im Asylheim. Amnesty International organisierte uns dann eine Ein-Zimmer-Wohnung in Basel – und ich begann sofort zu arbeiten. Ich wollte nie Geld vom Staat.“

Xhaka arbeitete als Kellner, auf dem Bau, als Landschaftsgärtner. „Plötzlich konnte ich etwas machen, was nah an meinem Agronomie-Studium war. Ich bekam die unbeschränkte Aufenthaltsbewilligung. Was war das für ein Gefühl! Parallel lernten wir Deutsch, integrierten uns.“

Xhaka sagt, er habe heute noch Kontakt zu ehemaligen Mitgefangenen. Er gibt zu, dass er nicht über alle Erlebnisse im Gefängnis sprechen mag. Auch nicht mit seinen Söhnen Granit und Taulant Xhaka (31). „Nur meine Frau und mein Vater wissen alles. Meine Söhne müssen nicht alle Details kennen.“

Granit Xhaka ist Kapitän der Schweizer Fußball-Nationalmannschaft geworden, Tauland hat auch eine Karriere hingelegt, steht aktuell beim FC Basel unter Vertrag und ist ehemaliger Nationalspieler Albaniens.

Ragip Xhaka sagt: „Ich selber und meine Frau wissen sehr gut, was wir der Schweiz zu verdanken haben und werden diesem Land auf ewig dafür dankbar sein.“

Inzwischen haben Ragip und Eli Xhaka drei Enkel bekommen: Taulant und seine Frau Arbnora sind Eltern von Söhnchen Klevis (zwei), das zweite Kind ist zudem unterwegs.

Granit Xhaka im Trikot des FC Arsenal London während der Premier-League-Partie gegen Watford am 6. März 2022. Xhaka spielt ein Pass.

Granit Xhaka im Trikot des FC Arsenal London während der Premier-League-Partie gegen Watford am 6. März 2022.

Granit und seine Frau Leonita, die aus Mönchengladbach kommt und einst beim VfL Borussia arbeitete, haben die Töchter Ayana (zwei) und Laneya (bald eins) bekommen.

Granit Xhaka stand von 2012 bis 2016 bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag, sein Wechsel zu Arsenal London für 45 Millionen Euro Ablöse gilt bis dato als Rekordtransfer beim Klub vom linken Niederrhein.