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Von Jannik Sorgatz , Hannah Gobrecht

„Wir Spieler leben das natürlich mit“ Sommer über das Derby, Vorbilder und Vaterfreuden

Yann Sommer hat seit 2014 einige Derbys mit Borussia Mönchengladbach erlebt.

Yann Sommer hat seit 2014 einige Derbys mit Borussia Mönchengladbach erlebt.

Mönchengladbach - Yann Sommer hat im Januar die Wahl zum „Spieler des Monats“ bei Borussia für sich entschieden. Fast schon verblüffend: zum ersten Mal in der laufenden Saison. 2018/19 kürten die Fans den Schweizer sogar zum besten Gladbacher der gesamten Spielzeit. All das zeigt: Der Torwart steckt in einem schier nicht enden wollenden Formhoch – trotz eines kuriosen Gegentreffers gegen Leipzig.

Vor dem Derby gegen den 1. FC Köln (Sonntag, 15.30 Uhr) haben wir uns mit Sommer über die Bedeutung des Spiels unterhalten, über das Prädikat „Weltklasse“ und die Freude, die es ihm bereitet, Vater zu sein.

Yann Sommer, welches Derby-Bild ist das erste, das Ihnen durch den Kopf schießt, wenn Sie an dieses Spiel denken?

Ganz klar das Tor von Granit Xhaka im Februar 2015 in der letzten Minute zum 1:0-Derbysieg. Das ist auf jeden Fall meine schönste Derby-Erinnerung. Ich freue mich sehr auf das Spiel. Ich habe das Derby vor sechs Jahren kennengelernt und weiß, wie speziell es für die Region und die Fans ist. Wir Spieler leben das natürlich mit.

Okay, das war natürlich fast schon eine Suggestivfrage von uns. Ist bei Ihnen das ominöse Derby-Fieber bereits entfacht worden?

Das kam von Tag zu Tag. Am Anfang der Woche haben wir noch über Leipzig gesprochen. Aber nach dem freien Tag lag der Fokus voll auf dem Derby. Mit jeder Trainingseinheit und Videositzung ist die Vorfreude gestiegen.

Könnte das nahende Derby zu einem ähnlichen Herzschlag-Finish wie 2015 werden, als Xhaka in der Nachspielzeit das Tor erzielte?

Am Schluss ist es egal, wann man die Spiele klar macht. Ich glaube, dass es ein sehr enges Derby werden kann, weil Köln jetzt auch einen Aufschwung hat. Sie haben sehr gut gespielt in den vergangenen Wochen. Das wird für uns eine spannende, aber auch eine tolle Aufgabe.

Wie sehr nehmen Sie das Knistern abseits des Platzes wahr? Rund um das Derby gibt es immer wieder Vorfälle zwischen beiden Fanlagern.

Wir konzentrieren uns aufs Spiel, aber natürlich bekommen wir was mit, wenn man in der Stadt ist. Wir werden auf das Derby angesprochen, die Leute sagen uns, dass wir das Spiel nicht verlieren dürfen. Man merkt, dass die Anspannung auf dieses Spiel groß ist.

Beim vergangenen Topspiel in Leipzig haben Sie ein kurioses Gegentor nach einem Zusammenstoß mit Ihrem Teamkollegen Denis Zakaria hinnehmen müssen.

Für mich ist das kein Torwartfehler im klassischen Sinne, sondern einfach eine Situation, in der ich den Ball in den Händen halte und unglücklich mit Denis zusammenstoße und mir der Ball runterfällt. Das gibt es halt einfach mal.

Gab es da im Nachgang noch mal eine genaue Analyse?

Ganz ehrlich – wir haben das gar nicht mehr analysiert. Ich würde wahrscheinlich wieder auf den Ball gehen, weil es ein Ball war, auf den ich als Torwart gerne gehe. Wenn ich den bekomme, gibt es der Mannschaft viel Ruhe und Sicherheit.

In Ihrer Torwart-Karriere ist das so wahrscheinlich auch zum ersten Mal vorgekommen.

Ja, das ist eben ein bisschen das Los eines Torhüters. Es gab vielleicht mal die Situation, dass ein Mitspieler ähnlich vor mir stand, aber das ging dann immer gut. Die Situation in Leipzig passiert genau so vielleicht einmal in zehn Jahren.

Klingt so, als könnten Sie solche Dinge schnell abhaken.

Diese Geschichte kann ich relativ schnell abhaken, weil ich auch finde, dass wir in Leipzig ein super Spiel gemacht haben, auch noch zu Zehnt. Wir haben gut gekämpft und einen Punkt geholt. Natürlich gewinnen wir ein Spiel am Ende lieber, wenn wir 2:0 führen, aber so, wie die Sachen in der zweiten Halbzeit gegen uns gelaufen sind, haben wir den Punkt gerne mitgenommen.

Wie gehen Sie denn mit Lob um? Besonders nach dem Heimsieg gegen Mainz standen Sie nach Ihren starken Paraden im Mittelpunkt.

Ich gehe mit Lob und Kritik exakt gleich um. Ich nehme beides wahr. Kritik ist manchmal fast wertvoller. Wenn sie konstruktiv ist, kann ich damit sehr viel anfangen und dazulernen. Lob ist etwas, das durch eine gute Leistung entsteht und einfach schön ist. Ich freue mich darüber und genieße das. Aber das ist es dann auch.

Sie wurden in den vergangenen Monaten häufig gelobt, das Attribut „Weltklasse“ fällt immer wieder im Zusammenhang mit Ihnen. Was macht einen Torwart der Marke „Weltklasse“ aus?

Die Beurteilung, ob jemand Weltklasse darstellt, überlasse ich den Experten. Ein sehr guter Torhüter ist für mich ein kompletter Torwart, der über einen langen Zeitraum in seinen Leistungen sehr konstant ist und dabei alle Facetten drauf hat: Das ist zum einen das Spiel mit dem Fuß. Dann gibt es weitere Punkte: Wie mutig ist er? Wie gut ist er technisch, auch mit den Händen? Oder wie genau positioniert er sich? Das sind so kleine Dinge, die man nicht unbedingt direkt sieht, wenn man kein Torwart ist. Das kann auch ein erster Kontakt sein oder die Ballmitnahme. Denn wenn das nicht stimmt, sieht es sofort jeder und es passieren Fehler. Wenn ein Torwart das aber richtig gut macht, dann fallen die Details extrem auf.

Und ein Weltklasse-Torhüter kann nach einer unglücklichen Situation den Schalter gleich wieder umlegen?

Jeder macht Fehler, jeder hat mal eine schlechtere Phase. Das gehört dazu. Auch dann ist der Umgang mit dieser Situation entscheidend: Wenn ein Weltklasse-Keeper ein Weltklasse-Keeper ist, dann ist er das auch in einer schlechten Phase.

Hier lesen Sie mehr: Patrick Herrmann schwört Borussia Mönchengladbach auf besondere Art die Treue

Gibt es denn einen Torwart-Kollegen in Europa, auf den Sie besonders gerne schauen?

Puh (überlegt). Da gibt es wirklich viele, gerade in Europa. Es sind auch einige junge Torhüter, die ich extrem spannend finde. Man kann von jedem etwas lernen. Man sieht viele Dinge, die einem gefallen. Da schaut man sich immer wieder was ab. Am Schluss hat man die eigene Art, wie man spielt, wie man mit Situationen umgeht. Ich schaue aber grundsätzlich gerne auf andere Torhüter.

Wer imponiert Ihnen denn besonders?

Ich finde Kasper Schmeichel (33, Leicester City; Anm. d. Red.) einen spannenden Torwart. Er ist jetzt nicht mehr der jüngste, aber ich habe schon öfter gegen ihn gespielt. Sein Stil, wie er im Tor steht, wie reaktionsschnell und explosiv er ist, was für eine Persönlichkeit er im Tor darstellt – das gefällt mir.

Sie sind jetzt 31 Jahre alt. Ein Feldspieler würde wohl langsam aufs Karriereende zusteuern. Sie haben gerade erst bis 2023 verlängert. Trotzdem dürfte das nicht Ihr letzter Vertrag sein.

Mal schauen (lacht). Ich kann nur sagen, wie es im Moment ist: Ich fühle mich super und körperlich gut. Ich finde, dass ich jetzt im perfekten Torwart-Alter bin. Ich habe die Erfahrung, die nötige Ruhe, ich habe viele Situationen schon mal erlebt. Das bringt mir viel Gelassenheit im Tor. Und es macht mir immer noch sehr viel Spaß, an mir selbst zu arbeiten und Fortschritte zu erzielen. Solange das so ist, mache ich weiter.

War Ihre Unterschrift ein Zeichen, dass Sie für immer ein Borusse bleiben könnten?

Ich bin jetzt schon sechs Jahre in diesem Verein. Das ist toll. Natürlich ist meine Vertragsverlängerung ein Zeichen gewesen, dass ich mich hier unglaublich wohlfühle. Es ist auch immer noch eine Challenge für mich. Es kamen jetzt viele neue Dinge auf uns zu. Wir haben dieses Jahr eine gute Mannschaft, die ambitioniert ist, die sehr viel Qualität hat. Wir haben ein tolles Stadion, eine tolle Stimmung. Das ist im Fußball nicht selbstverständlich und das schätze ich.

Der Verein wollte durch die Verpflichtung von Chefcoach Marco Rose „den nächsten Schritt“ machen. Ist der gesamte Klub gerade auf dem Sprung, sich auf ein höheres Level zu hieven?

Es geht definitiv vorwärts, man sieht die Fortschritte. Bei der Infrastruktur hat sich sehr viel getan. Wir haben jetzt ein neues Trainerteam mit neuen Ideen. Der Stil, den wir jetzt haben, gefällt mir sehr gut. Es ist eine Herausforderung für jeden Spieler, weil dieses Jahr ein paar neue Dinge dazu gekommen sind. Wir haben ein noch extremeres Gegenpressing, es geht um ein gutes Positionsspiel und die richtigen Entscheidungen. Für uns Spieler ist es die Aufgabe, diese Dinge richtig anzunehmen, und das machen wir bis hierher sehr gut.

Seit fast zwei Jahren arbeiten Sie mit Steffen Krebs zusammen, der gemeinsam mit Uwe Kamps für das Torwarttraining zuständig ist.

Er ist sehr wichtig für mich. Natürlich bin ich als Torwart viel von meinen Torwarttrainern abhängig, vielleicht noch mehr als die Feldspieler vom Trainerteam. Es geht darum, wie wir zusammenarbeiten, wie wir uns Sachen immer wieder anschauen und an Details arbeiten. Das sind am Schluss die Dinge, die einem noch mal einen Push geben. Steffen hat viele Ideen, die wir umsetzen. Deshalb passt es ganz gut so, wie es ist.

Sportlich läuft es mit Borussia, Sie haben Ihren Vertrag langfristig verlängert und privat sind Sie seit einigen Monaten Vater einer kleinen Tochter. Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert?

Die Erfahrung, Vater zu werden, war für mich das Schönste, was ich bisher erlebt habe, das muss ich ganz klar sagen. Es ist eine tolle Aufgabe, Eltern zu sein und einer kleinen Tochter viele Dinge mitzugeben und die Erziehung zu gestalten. Ich habe definitiv weniger Schlaf und schwierigere Nächte als vorher, aber ich bin froh, dass meine Frau das so gut macht, gerade, wenn ich nicht da bin. Zusammen probieren wir, für die Kleine da zu sein und das macht sehr viel Spaß.

Fällt es Ihnen jetzt schwerer als vorher, ins Trainingslager oder zu Auswärtsspielen zu reisen und von zu Hause weg zu sein?

Ja, weil man verpasst in der Zeit sehr viel. Unsere Tochter ist erst drei Monate alt. Wenn ich dann eine Woche weg bin und nach Hause komme, sieht sie ganz anders aus. Das ist schon krass. Ich möchte meine Frau ja auch so oft es geht unterstützen. Das ist schon eine große Aufgabe. Dann ist es manchmal schwierig, wenn ich nicht zu Hause bin. Aber das gehört nun mal in unserem Business dazu.

Klingt so, als würden Sie sich auch vor dem Windeln wechseln nicht scheuen…

Auf keinen Fall. Das gehört dazu. Ich bin ein moderner Papa (lacht).