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Von Leo Bach (lb)

GladbachLIVE-Kommentar Das böse Erwachen droht: Gladbach agiert wie ein Aufsteiger – FC auf Augenhöhe

Gerardo Seoane bei einer Pressekonferenz in Köln.

Pressekonferenz beim Erzrivalen: Wie ähnlich sind sich der 1. FC Köln und Gerardo Seoanes Gladbach tatsächlich?

Träume von Europapokal und Sehnsucht nach Titeln finden sich in wohl jeder Kurve eines Bundesligisten wieder. Nur dürfte im Borussia-Park die Schere zwischen Erwartung und Realität zunehmend weiter auseinanderklaffen.

Ein Blick auf die Gladbacher Bewegungen auf dem Transfermarkt zeigt, dass die fetten Jahre vorbei sind. Das ist dem Anhang nicht erst seit dieser Saison bewusst. Doch ausgerechnet Parallelen zum Erzrivalen zeigen auf, dass es nicht besonders gut um die Fohlen steht. Ein Kommentar.

Gladbach nach der Ära Eberl: Fohlen nur noch graue Maus?

Philipp Sander, Kevin Stöger, Tim Kleindienst. Das waren die drei Neuen, die Sport-Geschäftsführer Roland Virkus (58) im vergangenen Sommer heranzog. Zweifelsfrei starke Transfers, die für vergleichsweise wenig Geld einen großen Einfluss auf die Gladbacher Saison hatten.

So klangvoll wie Alassane Plea, Breel Embolo oder Matthias Ginter sind diese Namen aber eben nicht. Allesamt Verpflichtungen aus der Ära Max Eberls (51) in Mönchengladbach – und allesamt mit einer zweistelligen Millionen-Ablöse verbunden.

Aus dieser Kategorie kann sein Nachfolger Virkus bisher nur einen Spieler vorweisen: Tomas Cvancara. Etwa 10,5 Millionen Euro ließ sich der VfL die Dienste des Tschechen kosten – nach zwei eher frustrierenden Jahren am Niederrhein lässt sich der Stempel „Fehlinvestition“ wohl nicht mehr ausradieren. Der Marktwert des 24-Jährigen sank zuletzt auf drei Millionen Euro, die Trennung im Sommer rückt näher.

Virkus’ Stärke liegt aber in den vermeintlich „kleineren“ Transfers. So zahlte der gebürtige Mönchengladbacher nur jeweils etwa eine Million Euro für Sander und Robin Hack. Lukas Ullrich und Kevin Stöger kamen ablösefrei. Auch Kopenhagen-Profi Kevin Diks wird ohne Transferkosten im Sommer zum Fohlen.

Borussia bewegt sich zwischen der Erwartungen an den großen Namen – vor allem durch die glanzvolle Vergangenheit motiviert – und der harten Realität einer grauen Bundesliga-Maus. In den vergangenen vier Saisons kam der Traditionsverein nicht über einen zweistelligen Tabellenplatz im deutschen Oberhaus hinaus.

Spannung brachte in der Premierensaison von Trainer Gerardo Seoane (46) 2023/24 zwischenzeitlich gar der Blick auf den Abstiegskampf. Es muss wieder bergauf gehen – davon hängt nicht nur die Zukunft des Schweizer Coaches, sondern auch dessen Vorgesetzten Virkus ab.

Nur stellt sich die Frage: Was wird neu in der kommenden Spielzeit? Geld für Zugänge steht ohne Verkäufe von millionenschweren Leistungsträgern wie Ko Itakura nicht zur Verfügung. Außerdem schlucken verdiente Spieler als „Altlasten“ absolute Mega-Gehälter, die der klammen Finanzsituation in Gladbach nicht gerecht werden.

Zum Beispiel Florian Neuhaus, der sportlich unter Seoane so gut wie keine Rolle spielt. Will Borussia in den kommenden Jahren wieder oben angreifen, muss ein Strukturwechsel her. Denn aktuelle Gerüchte um mögliche Zugänge zeigen auf, dass die Mittel für die ganz großen Verstärkungen schlicht fehlen.

Gladbach und Köln verfolgen gleiche Transfer-Ziele – wie kann das sein?

Mehrfach wurde Gladbach bereits von der Konkurrenz ausgestochen. Derry Scherhant schloss sich dem SC Freiburg an, Benedict Hollerbach wechselte nach Mainz und Jordan Torunarigha wird für den aufgestiegenen HSV verteidigen.

Auch Flügeldribbler Linton Maina stand ebenso wie genannte Spieler wohl auch auf der Gladbacher Scoutingliste, verlängerte seinen Vertrag beim 1. FC Köln aber und wird mit den Domstädtern nun Bundesliga spielen. Eine Parallele zum Borussia-Erzrivalen zeichnet die prekäre Situation deutlich auf.

Denn neben Maina finden sich noch zahlreiche weitere Spieler, an denen nicht nur Gladbach dran war (oder ist), sondern die auch der FC für sich gewinnen wollte (oder will).

In der Innenverteidigung trifft das beispielsweise auf den jüngst zur TSG Hoffenheim gewechselten Bernardo zu. Auch Torunarigha, wie erwähnt zum anderen Aufsteiger aus Hamburg transferiert, stand in Köln und Mönchengladbach auf dem Zettel. Um Darmstadts Clemens Riedel könnte sich derweil ein Tauziehen zwischen den Rheinderby-Teams entwickeln.

Paderborns Linksaußen Aaron Zehnter soll besonders hoch im Kurs bei Gladbach und den Geißböcken stehen. Gerüchte um Mahamadou Diawara aus Frankreich kochten sowohl am Rhein als auch am Niederrhein hoch. Und auch bei der Stürmersuche fiel ein Name in beiden Lagern: Marvin Ducksch. 

Ein Aufsteiger, der eine Neuorientierung auf dem Trainer- und Sportboss-Posten hinter sich hat und die Neuwahlen des Vorstandes erst noch vor sich, ist auf dem Transfermarkt in gleichen Gefilden unterwegs wie ein gesicherter Erstligist, der noch vor vier Jahren in der Champions League spielte. Wie kann das sein?

Die Gründe dafür sind vielfältig. Während einerseits natürlich nicht an allen Gerüchten und Spekulationen um Neuzugänge auch wirklich etwas dran ist, scheint das Kräfteverhältnis in diesem Fall tatsächlich relativ ausgeglichen. Der FC hat mit Ragnar Ache und Isak Johannesson bereits zwei Verpflichtungen an Land gezogen und scheint dennoch weiter imstande zu sein, Millionen auszugeben.

Einnahmen aus Meisterschaft und Pokal sowie eine auch in der 2. Bundesliga treue Fan-Unterstützung ermöglichen das. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Kölner aufgrund einer Transfersperre lange nicht aktiv werden konnten auf dem Transfermarkt – und nun die Mittel auch dank eines harten Sparkurses da sind.

Auf der anderen Seite sorgt in Gladbach eine Mischung von hohen Gehältern und den Nachwirkungen der Ära Eberls für Ebbe in den Kassen. Im vergangenen Jahr bezeichnete Virkus die finanziellen Verhältnisse, in denen er den Verein nach dem Eberl-Abgang übernahm, als „wirklich schlecht“. Die Sanierung dauert wohl noch an.

Dennoch droht Gladbach ein böses Erwachen. Verliert man sportliche Ankerpunkte wie Itakura, Plea oder Weigl, müssen zwingend Zugänge her, die sofort einschlagen. Sonst droht eine erneut enttäuschende Saison.

Dass man auf dem Markt bisher auf Augenhöhe mit einem Aufsteiger agiert, dürfte den Fans wohl kaum ein positives Gefühl geben. Die im Winter „vorverpflichteten“ Diks und Nürnbergs Jens Castrop bieten ein wichtiges Polster, mindestens in der Verteidigung und im Sturmzentrum sollte Virkus bis zur Saisoneröffnung aber noch Zugänge vermelden.

Die Zeiten haben sich geändert in Mönchengladbach. Europa wird auch in der kommenden Saison eher Sehnsucht als ernsthaftes Saisonziel sein. Der FC verstärkt sich für die Mission Klassenerhalt – Zyniker könnten behaupten, dass Gladbach gut daran täte, das auch zu tun.

In den kommenden Wochen werden Fußball-Fans erst einmal eine gemeinsame Köln-Gladbach-Achse beobachten können. Bei der U21-EM in der Slowakei dürften Rocco Reitz und Kapitän Eric Martel (1. FC Köln) in der Zentrale gesetzt sein. Die Rivalität wird vorübergehend ad acta gelegt – spätestens mit dem ersten Derby werden die beiden Mittelfeldspieler dann aber wieder zeigen wollen, welcher Verein sportlich betrachtet wirklich die Nase vorn hat.