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Von Achim Müller

EXKLUSIV Corona, Millionen-Verluste, Verkäufe, Rose-Zukunft Gladbachs Finanz-Boss Stephan Schippers im Klartext-Interview 

Geschäftsführer Stephan Schippers, hier bei einer Pressekonferenz im April 2017, ist seit 1999 bei Borussia Mönchengladbach im Amt.

Geschäftsführer Stephan Schippers ist seit 1999 bei Borussia Mönchengladbach im Amt.  Der 53-Jährige gilt nach unseren Informationen, hinter Präsident Rolf Königs, als der mächtigste Mann im Klub. 

Mönchengladbach - Ein sportlich und wirtschaftlich turbulentes Jahr 2020 nähert sich für Borussia Mönchengladbach dem Ende entgegen. Die Coronakrise hat den Klub vom linken Niederrhein „bis ins Mark “ getroffen, wie Geschäftsführer Stephan Schippers betont. Unsere Redaktion hat den 53-Jährigen kurz vor den Weihnachtstagen zum exklusiven Interview getroffen, dabei Borussias Finanz-Boss zahlreiche Fragen rund um das Thema Coronakrise und deren Auswirkungen für den VfL stellen können. Schippers nennt konkrete Zahlen, macht deutlich, dass Borussia der Krise die Stirn bietet – und dass der Verein VfL Borussia als solcher auch bei wichtigen Personalfragen über den Dingen steht. Das Klartext-Gespräch mit Stephan Schippers.

Gladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers verrät genauen Verlust

Herr Schippers, Sie sind seit mittlerweile knapp 22 Jahren bei der Borussia. Ist 2020, in Ihrer Funktion als Geschäftsführer, womöglich das bislang schwerste Amtsjahr?

Man muss es fast so sehen. Das ist das komplexeste Jahr seit 1999 gewesen, welches wir hier zu meistern hatten. Das gilt übrigens für die gesamte Borussia, nicht nur für mich. Es ist das anspruchsvollste Jahr seit 1999.

Können Sie bereits beziffern, wie hoch der Verlust durch die Coronakrise bei Borussia für das Geschäftsjahr 2020 sein wird?

Wir hatten im März rund 50 Millionen Euro als mögliches Szenario für den schlimmsten Fall des Abbruchs der Saison kalkuliert. Diese Zahl werden wir bis zum Ende des Jahres weit mehr als halbiert haben. Wir möchten zum jetzigen Zeitpunkt noch keine genaue Summe nennen, aber das Defizit wird deutlich unter 20 Millionen Euro liegen.

Ist es zutreffend, dass Borussia durch den jüngsten Einzug bis ins Achtelfinale der UEFA Champions League bislang mit rund 40 Millionen Euro Einnahmen rechnen darf?

Das ist die Größenordnung, davon müssen Sie allerdings noch rund ein Drittel abziehen, das sind beispielsweise vertraglich vereinbarte Zahlungen an Vorvereine und natürlich auch Prämienzahlungen an die Spieler.

Bleibt immerhin noch eine Summe von ungefähr 26 Millionen Euro. Wie viel würde davon dann in dem von Ihnen zuvor genannten Verlustbetrag für das Geschäftsjahr 2020 stecken?

Alles! Das ist es ja. Wir sind seit neuneinhalb Monaten in der Pandemie. Uns fehlen Ticketeinnahmen, Sponsoringgelder, es hat uns andererseits gutgetan, dass unsere Fans und Zuschauer teilweise auf Rückerstattungen verzichtet haben, dass die Sponsoren das mitgetragen und verzichtet haben. Und wir haben weniger Fernsehgelder bekommen. Das ist alles in dem Topf mit drin. Und das ist, nach neuneinhalb Monaten Coronapandemie, schon ein sehr gutes Ergebnis, von dem wir im März nicht erwarten konnten, dass es so eintritt.

Hat unsere Redaktion Sie dann richtig verstanden, dass alle bisherigen Einnahmen aus der Champions League, inklusive des Achtelfinales, noch mit dem Geschäftsjahr 2020 verrechnet werden?

Ja, sollten wir die nächste Runde, sprich das Viertelfinale, erreichen, würden diese Einnahmen in das neue Geschäftsjahr fließen.

Sie gelten als einer der seriösesten Kaufleute in Ihrer Branche, wie kalkulieren Sie in dieser Coronakrisen-Melange für das neue Geschäftsjahr, das zum 1. Januar 2021 beginnt?

Was ich sagen kann, ist, dass wir für die jetzt laufende Saison nicht mehr mit Zuschauereinnahmen kalkulieren. Was nicht bedeutet, dass wir uns nicht darüber freuen würden, wenn beispielsweise nach den Ostertagen Szenarien entstehen könnten, bei denen Zuschauer im Borussia-Park wieder möglich sind. Nur, das können wir nicht belastbar kalkulieren. Daher kalkulieren wir erst ab der nächsten Saison 21/22 mit einer wieder wachsenden Anzahl der Zuschauer.

Ist der VfL Borussia 1900 existenziell durch Corona bedroht

Nein!

Coronakrise: Keine Entlassungen bei Borussia Mönchengladbach

Auch das Projekt „Hotel im Borussia-Park“ nicht?

Nein!

Haben Sie Mitarbeiter entlassen müssen?

Nein!

Alle Achtung, das ist in diesen Zeiten alles andere als selbstverständlich. Wie viele Mitarbeiter hat Borussia aktuell?

In der Größenordnung von 350. Sie müssen diese Zahl allerdings auch durchdeklinieren. Dazu gehören die Mitarbeiter im Call-Center, in der Gastronomie und in vielen anderen Bereichen. Zu den 350 Mitarbeitern zählen auch 100 Sportler. Vom Jugendtrainer über den Betreuer bis hin zu Spielern.
Und ich würde gerne etwas betonen...

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Bitte.

Wir stehen – Stand jetzt – wesentlich besser da, als wir es im März zunächst geplant haben. Durch zahlreiche Maßnahmen. Durch die Unterstützung der Fans, der Sponsoren – darauf sind wir sehr stolz und dafür möchte ich mich bei allen bedanken. Borussia hat sich in den vergangenen Jahren Speck angefressen, wir haben ein Eigenkapital von 103 Millionen Euro aufgebaut, sicherlich werden wir davon etwas hergeben müssen, aber das hat rein gar nichts mit Existenzrisiken zu tun.

Wie sieht es mit den Ratenabzahlungen der Kredite für das eigene Stadion und des Neubaus „8 Grad“ aus. Gibt es da wegen der Coronakrise Probleme in Sachen Tilgung?

Auch da kann ich sagen: Nein! Das läuft alles ganz normal, wie in allen Jahren zuvor, weiter. Wir haben für Borussia nur Verbindlichkeiten für das Stadion und den Bau acht Grad. Darüber hinaus haben wir keine Verbindlichkeiten.

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Wann sind die Kredite für das Stadion und den Neubau-Komplex „8 Grad“ dann ausgelöst?

Für das Stadion 2029/30. Die Finanzierung für acht Grad ist auf 20 Jahre ausgelegt. Also in 2038. Wir zahlen das alles wie gewohnt, ganz in Ruhe und ohne Aufregung.

Obwohl Sie auch noch 20 Millionen Euro weniger an Ticket-Einnahmen gehabt haben?

Ja!

Das ist schon bemerkenswert. Wenn unsere Informationen stimmen, hat ihr Mitbewerber Borussia Dortmund bis zum 30. Juni 44 Millionen Euro minus gemacht. Von weiteren 75 Millionen Euro Verlust sind beim BVB die Rede. Bei Bayern München wird von 100 Millionen Euro minus geredet.

Ich kann nur für uns sprechen. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass wir am langen Ende deutlich weniger als 20 Millionen Euro Verlust machen. Mit neuneinhalb Monaten Pandemie. Das ist angesichts der Situation in diesem zu Ende gehenden Jahr eine sehr gute Position. Aber es ärgert uns trotzdem.

Können Sie das noch weiter vertiefen? Was meinen Sie damit?

Nun, wir haben einen neuen Hauptsponsor gewonnen („flatex“, Anm. d. Red.). Wir haben einen neuen Ärmelsponsor gefunden („Sonepar“, Anm. d. Red.). Wir haben mit Porsche einen neuen Jugendsponsor gewonnen. Gucken Sie sich bitte um. Solche Signale hören Sie nicht oft. Ich will auch nicht ,Hurra!' rufen, aber wir haben auch noch, während Corona, ein richtig gutes Merchandising gemacht. Fakt ist jedoch: Wir haben ein Minus. Die Fragestellung ist auch: Wie zügig und flexibel reagierst du als Verein auf diese Pandemie. Und das haben wir, als Borussia Mönchengladbach, aus meiner Sicht sehr gut gemacht.

Zahlreiche Fans sind sehr darüber enttäuscht, dass sie wegen der Coronakrise nicht die tollen Königsklassen-Abende gegen Real Madrid oder Inter Mailand im Stadion miterleben konnten. Und wahrscheinlich im Achtelfinale gegen Manchester City auch nicht.

Und das vollkommen zu Recht. So wie es jetzt ist, haben wir es uns alle nicht gewünscht. Aber in so einer Pandemie ist es nun mal momentan nicht anders möglich. Der Appell von Borussia Mönchengladbach ist auch, alle Maßnahmen der Bundesregierung in Bezug auf die Eindämmung der Pandemie zu unterstützen.

Ist es, aus einem gewissen Blickwinkel heraus, nicht dennoch ein Glücksfall für Borussia, gerade in Zeiten der Coronakrise, Champions League spielen zu dürfen?

Das muss man kaufmännisch so sehen. Trotzdem: Der Fußball lebt von den Emotionen. Ich kann jeden Fan verstehen, der sagt, er hätte gerne diese Spiele gesehen und so gerne seinen Verein auch in diese Länder begleitet. Das macht uns auch traurig. Aber diese Situation hat sich ja keiner so ausgesucht. Wir müssen die Situation so annehmen, wie sie ist – und das tun wir. Natürlich sehnen wir uns danach, dass die Zuschauer wieder ins Stadion können, gerade zu den internationalen Spielen. Dass es nicht so ist – ganz schlimm, ganz schade.

Haben Sie die Befürchtung, dass durch die Coronakrise eine gewisse Entfremdung der Fans in Sachen Fußball-Bundesliga stattfinden könnte?

Ich glaube, dass viele Fans traurig sind, dass sie ihren Verein nicht so hautnah begleiten können. Aber auf der anderen Seite erfahren wir auch sehr viel Zuspruch durch die Fans, die uns anschreiben, dabei auf der einen Seite kundtun, wie sehr sie leiden, jedoch zugleich betonen, wie sehr sie zum Verein stehen. Ja, die Fans sind traurig, aber sie entfernen sich nicht vom Fußball.

Gladbachs Finanz-Boss rechnet nicht mit erneuter Bundesliga-Pause

Borussia ist gerade in einer repräsentativen Umfrage zum beliebtesten Verein der Bundesliga hinter Bayern und Dortmund gekürt worden.

Borussia Mönchengladbach ist ein ganz besonderer Verein. Unsere Fans lieben diesen Klub so, wie er ist. Und, das möchte ich betonen, wir sind – in Anführungszeichen – ein ganz einfacher Laden.

Borussia hat für die Rückrunde 30.000 Dauerkarten verkauft. Nun ist wohl klar, dass in naher Zukunft so viele Fans nicht ins Stadion zu den Heimspielen kommen werden. Wie regeln Sie da das Finanzielle?

Das müssen wir abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Wir warten die Saison ab, und dann werden wir die Gelder für die Karten zurückerstatten, die nicht in Anspruch genommen werden konnten.

Wie hoch wäre dann im Worst-Case-Szenario, die Summe, die Borussia zurückerstatten müsste? 

Ich möchte die Summe nicht gerne nennen, weil sie im Moment noch nicht genau zu kalkulieren ist.

Droht der Bundesliga wegen des erneuten Lockdowns womöglich eine weitere komplette Spielpause, so wie nach dem 11. März?

Davon gehe ich aktuell nicht aus.

Gehen Sie davon aus, dass die momentane Coronasituation die Bundesliga verändern wird? Und wenn ja, wie?

Wenn, dann hoffe ich positiv. Ich bin davon überzeugt, wenn wir wieder in einer Zeit ohne Pandemie leben und die Menschen nicht mehr krank werden können, dass wir auch wieder volle Stadien sehen werden und die Zuwendung zu dem jeweiligen Verein wieder da ist. Dass der Fußball und die Freude am Sport wieder mehr im Mittelpunkt stehen werden. Vielleicht kehrt sogar bei sogenannten Hochsicherheitsspielen mehr Friedlichkeit ein.

Borussias Entscheider um Präsident Rolf Königs haben die Infrastruktur rund um Borussia in den vergangenen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Der Borussia-Park ist hierzulande zum Vorzeige-Park geworden. Wie bremst die Pandemie die weiteren Wachstums-Prozesse, beispielsweise beim Profi-Leistungszentrum, aus?

Sie haben es richtig beschrieben, wir haben einige Projekte geschoben. Das betrifft auch das Profileistungszentrum – oder auch den Ausbau der VIP-Bereiche in der Haupttribüne. Wir haben einige Dinge auf Eis gelegt. Aber das werden wir in der Sekunde, wenn wir überblicken können, dass diese Pandemie zu Ende ist und wir wieder in eine Normalität gehen, natürlich wieder forcieren.

Sie haben bislang immer ohne dieses Muss „Europapokal“ samt Einnahmen geplant. Gilt dieses Mantra weiter?

Ja!

Im Januar und im kommenden Sommer beginnen die nächsten Transferperioden. Ist Borussia dann gezwungen, wegen der Coronakrise samt deren Folgen Spieler zu verkaufen?

Nein! Wir werden auch unter Coronabedingungen keinerlei Herangehensweisen in unserer Unternehmenskultur ändern.

Sie sitzen auch im DFL-Aufsichtsrat. Wie ist aus Ihrer Sicht die neue Regelung der TV-Gelderverteilung im Profi-Fußball einzuordnen?

Ich bin ein großer Freund davon, im Vorfeld die Standpunkte auszutauschen. Wenn dann eine Entscheidung da ist, die gemeinschaftlich getragen wird, dann sollten auch alle dazu stehen. Der DFL ist in dieser Zeit ein gutes Vermarktungs-Ergebnis gelungen. Dazu ist es dem Präsidium der DFL auch gut gelungen, einen neuen Verteilungsschlüssel festzulegen. Wir haben Klarheit und Planungssicherheit für die nächsten vier Jahre, wir Bundesligisten und die Zweitligisten. Von daher bin ich damit sehr zufrieden.

Bekennt sich Borussia weiterhin zur „50 plus eins“-Regelung?

Ja, wir werden unsere Unternehmenskultur nicht ändern.

Stephan Schippers: „Borussia steht als Verein bei allem darüber“

Abschließend: Wie gehen Sie als einer der wichtigsten Entscheider bei Borussia mit den jüngsten Spekulationen um ihren Trainer Marco Rose um?

Es ist doch ganz automatisch so, dass bei sportlichem Erfolg um die Protagonisten gebuhlt und nachgedacht wird. Sei es Spieler, Trainer oder Manager. Borussia steht als Verein bei allem darüber. Marco Rose hat hier einen Vertrag, er ist ein toller Trainer. Er hat Spaß, hier zu arbeiten. Er weiß, was er an diesem Verein hat. Hier kann er walten und schalten.